Guatemalanetz Bern · „Cuando las Montañas Tiemblan“ (1983) und “Granito: Como Atrapar a un...

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Jahresbericht 2017 Guatemalanetz Bern

Transcript of Guatemalanetz Bern · „Cuando las Montañas Tiemblan“ (1983) und “Granito: Como Atrapar a un...

Jahresbericht 2017

Guatemalanetz Bern

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Jahresbericht 2017 © Guatemalanetz Bern 3

Inhaltsverzeichnis

1. Editorial 4

2. Veranstaltungen und Informationsarbeit 6

3. Advocacy, Lobbying und Vernetzung 12

4. Jahresrechnung 2016 – 2017 14

5. Dank 15

Bild auf der Titelseite: Zeremonie vor einer Versammlung von Menschenrechtsvertei-digerInnen

Foto: Peace Brigades International

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1. Editorial

Der Kampf gegen die Straflosigkeit in Guatemala hatte im Jahr 2017 einen schweren Stand: Ende August erklärte Präsident Jimmy Morales den Beauftragten der Interna-tionalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG), Iván Velásquez Gómez, zur persona non grata und befahl ihm, das Land zu verlassen. Die CICIG hatte zuvor angekündigt, dass sie Untersuchungen zur Finanzierung der Wahlkampagne der heutigen Regierungspartei im Jahr 2015 aufgenommen hatte. Zudem wurden bereits im Januar 2017 Familienmitglieder des Präsidenten wegen Korruption und Geldwä-sche festgenommen.

Der Angriff des Präsidenten auf Iván Velásquez löste eine Staatskrise aus, die zu Rücktritten von mehreren MinisterInnen sowie landesweit und international zu Pro-testen geführt hat. Nur zwei Jahre nachdem die Bevölkerung den Rücktritt des dama-ligen Präsidenten Otto Pérez Molina verlangt hatte, füllten sich die Strassen erneut mit protestierenden Menschen, die nun den Rücktritt von Jimmy Morales forderten.

Doch die langjährigen Machtstrukturen, von Gewalt und Rassismus geprägt, sind schwer zu durchbrechen. Die Korruption ist immer noch allgegenwärtig und wer sich für Gerechtigkeit einsetzt, lebt gefährlich. Menschen der Zivilgesellschaft, die für ihre Rechte einstehen sowie JournalistInnen, die über Missstände berichten, werden dif-famiert, kriminalisiert, bedroht und bezahlen im schlimmsten Fall mit ihrem Leben. Die guatemaltekische Menschenrechtsorganisation Udefegua hat allein im Jahr 2017 483 Übergriffe auf MenschenrechtsverteidigerInnen, 160 Fälle von Kriminalisierung, 42 Übergriffe auf JournalistInnen sowie 53 getötete MenschenrechtsverteidigerInnen registriert. Angesichts dessen ist es dringlich, international Solidarität zu zeigen und die guatemaltekische Zivilgesellschaft in ihrem Streben nach einem sozialen Wandel weiterhin zu unterstützen.

Das Guatemalanetz Bern feierte im Jahr 2017 sein 30-jähriges Jubiläum. Sensibilisie-rung und Information sind weiterhin ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. 2017 machten wir durch Veranstaltungen mit Gästen aus Guatemala (siehe Seiten 2 bis 9) sowie mit der monatlichen Kolumne des Menschenrechtsanwalts Miguel Mörth auf die Menschenrechtssituation in Guatemala aufmerksam. Zudem haben wir einen Flyer erstellt, in welchem wir unsere Tätigkeiten vorstellen. Advocacy, Lobbying und Ver-netzung waren genauso zentral für unsere Arbeit. Dabei standen das „Schweizer Fo-rum für Menschenrechte und Frieden in Guatemala und Honduras“ und die „Plata-forma Internacional contra la Impunidad” (kurz: Plataforma) im Fokus (siehe Seite 12). Ein wichtiger Meilenstein war die Festigung der Plataforma mit der Vereinsgrün-dung im November 2017 in Genf. Unsere Koordinatorin Alice Froidevaux wurde zur

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Red de la Vida (Netz des Lebens) – Einleitungszeremonie mit Lolita Chávez

Präsidentin des Vorstandes gewählt. Es freut uns sehr, dass Alice diese wichtige Rolle einnimmt.

An der Generalversammlung im Juni erzählte Madeleine Rumpf, die Mitgründerin des Guatemalanetzes Bern, wie das Netz entstanden ist und führte die Anwesenden durch die 30-jährige Geschichte des Vereins. Zudem durften wir Corsin Blumenthal offiziell im Vorstand begrüssen. Er war im Jahr 2016 mit Peace Brigades International in Gu-atemala im Einsatz. Co-Präsidentin Julia Nöthiger hat sich nach gut zwei Jahren tat-kräftiger Unterstützung (Co-Präsidium, Organisation Retraite, Flyer, etc.) entschie-den, den Vorstand des Guatemalanetzes per Ende 2017 zu verlassen. Herzlichen Dank Julia für dein Engagement und alles Gute für deine beruflichen und privaten Ziele! Michèle Jöhr übernimmt neu das Co-Präsidium.

Auch in Zukunft will das Guatemalanetz informieren, sensibilisieren, solidarisch han-deln und sich mit gezielter Lobbyarbeit für die Förderung einer wirksamen Menschen-rechts- und Friedenspolitik von Schweizer Akteuren in Guatemala einsetzen.

„Sanando tú, sano yo, sanando yo, sanas tú. Es la reciprocidad de la sana-ción.“

(Leitspruch der traditionellen Heilerinnen in Guatemala. Übersetzung: Wenn du heilst, heile auch ich – wenn ich heile, heilst auch du. Gegenseitig können wir uns heilen.)

In diesem Sinne: Herzlichen Dank für Ihre Solidarität und Unterstützung!

Michèle Jöhr Co-Präsidium

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2. Veranstaltungen und Informationsarbeit

Auch im 2017 hat das Guatemalanetz Bern mit Diskussions- und Filmabenden auf die schwierige Realität Guatemalas hingewiesen.

Die bedrohliche Realität in Guatemala: Bischof Ramazzini berichtet über den Widerstand gegen den Landraub.

Im Rahmen der ökumenischen Kampagne „Geld gewonnen, Land zerronnen“ luden die Guatemalanetze Bern und Zürich zusammen mit Fastenopfer / Brot für alle zum Gesprächsabend mit Bischof Alvaro Ramazzini ein. Ramazzini setzt sich seit vielen Jahren gegen die rücksichtslose Ausbeutung natürlicher Ressourcen in den ländlichen Gebieten seines Heimatlandes Guatemala und für den Schutz der indigenen Bevölkerung ein. Nach über 20-jähriger Arbeit in der Diözese San Marcos wurde Bischof Ramazzini 2012 in die Konfliktregion Huehuetenango versetzt – ein schwieriges Terrain für den Kampf um soziale Gerechtigkeit. In Bern sprach Ramazzini nicht nur über Guatemala’s be-drohliche Realität von extremer Armut, steigender Besitzkonzentration, Ernteausfällen aufgrund von Klimaveränderungen und Mangelernährung, son-dern auch über die Auswirkungen von Donald Trump’s Migrationspolitik auf die ganze Region Zentralamerika.

Aufgrund der langjährigen guten Beziehungen zu Alvaro Ramazzini war sein erneuter Besuch in der Schweiz eine besondere Freude für das Guatemalanetz Bern.

Wasser – Leben – Territorium. Der Kampf um fundamentale Rechte in Gu-atemala

Anlässlich der ordentlichen Mitgliederversammlung im Juni haben wir einen Diskussi-onsabend zum Thema «Wasserkraftprojekte» organisiert. Wasserkraftprojekte sind in Guatemala einer der zentralen Konfliktherde. Aus Sicht der Politik sind sie attraktiv, um die Wirtschaft anzukurbeln und versprechen „Fortschritt“. Die Frage bleibt jedoch: Fortschritt für wen – und auf wessen Kosten? Viele Gemeinden wehren sich gegen die Durchsetzung dieser Grossprojekte. Sie sind nicht bereit, ihr Land zu verkaufen und zu verlassen. Zudem fürchten sie Wasserknappheit und Umweltverschmutzun-gen. Doch wer für seine Rechte eintritt, geht ein hohes Risiko ein.

Bischof Alvaro Ramazzini Foto: Italo Cherubini

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Guatemala steht neben Honduras zuoberst auf der Liste der weltweit gefährlichsten Länder für Land- und UmweltrechtsverteidigerInnen. Zu diesen Land- und Umwelt-rechtsverteidigern gehört auch der Diskussionsgast José (Pepe) Cruz - guatemalteki-scher Ingenieur und Soziologe. Er koordiniert das Kollektiv Madreselva, welches die Gemeinden dabei begleitet, ihre Rechte einzufordern und bietet technische, politische sowie rechtliche Beratung an.

Eine wissenschaftliche Perspektive brachte die österreichische Kulturanthropologin und Soziologin Eva Kalny in die Diskussion ein. In ihrem Buch „Soziale Bewegungen in Guatemala“ analysiert sie die Geschichte Guatemalas anhand von Frauenbewegun-gen, indigenen Bewegungen und Ressourcenkämpfen aus intersektionaler Perspek-tive.

Ergänzt wurde die Diskussionsrunde durch die guatemaltekische Menschenrechtsver-teidigerin Anabella Sibrián, welche sich seit über 40 Jahren für die Menschenrechte einsetzt und aktuell die Plataforma Internacional Contra la Impunidad koordiniert.

Frauen im Widerstand – Gesprächsabend mit Lolita Chávez

In einem vollen Raum der Universität Bern durften wir am 31. Oktober die indigene Menschenrechts- und Umweltaktivistin Aura Lolita Chávez Ixcaquic begrüssen. Sie ist Vorsitzende des "Rates des Volkes Quiche für die Verteidigung des Lebens, der Mutter Erde, des Landes und des Territoriums" und engagiert sich im Kampf gegen multina-tionale Unternehmen (Minenprojekte, Agroindustrie, Olförderung, illegale Abholzung). Lolita Chavez vertritt zudem den „feminismo comunitario“ und setzt sich für die Rechte von Frauen ein. Menschenrechtsaktivistinnen erleiden in Guatemala die Un-terdrückung gleich doppelt: einerseits aufgrund ihres Einsatzes für die Umwelt und die Menschenrechte, andererseits, weil sie Frauen sind. Sehr offen schilderte Lolita wie sie zum „feminismo comunitario“ kam und welche Art von Unterdrückung sie und ihre Kolleginnen erfahren haben. Trotz der schweren Erlebnisse fand Lolita während des Anlasses immer wieder zurück zu ihrem Humor. Viele der gut 40 Teilnehmenden sprachen Lolita im Anschluss des Vortrags ihren Respekt und ihre Bewunderung aus.

Aufgrund ihres Engagements wurde Lolita Chavez mehrfach bedroht. Vom guatemal-tekischen Staat wurde sie als "Terroristin" bezeichnet. Die Morddrohungen, die sie erhielt, veranlassten sie im Sommer 2017 dazu, Guatemala temporär zu verlassen. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Jahresberichts weilt Lolita Chavez immer noch in Europa. Die Rückkehr nach Guatemala wird für ihre persönliche Sicherheit nach wie vor als zu gefährlich eingestuft.

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Das Guatemalanetz Bern organisierte den Anlass in Zusammenarbeit mit dem Guate-malanetz Zürich, Peace Brigades International (PBI), der Unigruppe Bern von Amne-sty International (AI) sowie Acoguate.

Weihnachtsapéro mit Film und Diskussion

Im Rahmen unseres jährlich stattfindenden Weihnachtsapéros zeigten wir den Film „500 años“, gefolgt von einem Gespräch mit dem deutschen Anwalt und Menschen-rechtsexperten Miguel Mörth. „500 años” ist der dritte Film einer Dokumentartrilogie der US-amerikanischen Filmemacherin Pamela Yates über die Menschenrechtskämpfe in Guatemala. Wie in „Cuando las Montañas Tiemblan“ (1983) und “Granito: Como Atrapar a un Dictador“ (2011) zeigt Yates das unermüdliche Streben der indigenen Bevölkerung Gu-atemalas nach Gerechtigkeit. „500 años“ setzt dort an, wo Granito aufhört und bietet einen einmaligen Ein-blick in den ersten Gerichtsprozess in der Geschichte Amerikas, welcher sich mit dem Völkermord an der in-digenen Bevölkerung befasst. Von diesem historischen Genozid-Prozess gegen Ex-General Ríos Montt bis zur

Alice Froidevaux, Aura Lolita Chávez Ixcaquic, Corsin Blumenthal Foto: Sergio Ferrari

Filmplakat 500 Años

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Volksbewegung, welche die Amtsenthebung von Präsident Otto Pérez Molina er-zwang, erzählt der Film die Geschichte des wachsenden Widerstands gegen die jüngs-ten politischen Ereignisse in Guatemala. Dabei wird die Perspektive der indigenen Maya-Bevölkerung eingenommen. Diese beteiligt sich selbstbewusst an der Neuge-staltung der Gesellschaft, die sich langsam von der Kultur der Straflosigkeit abwendet.

Bei Wein und Empanadas hat Miguel Mörth an-schliessend die aktuelle Situation der indigenen Bewegungen in Guatemala analysiert sowie Fra-gen des Publikums beantwortet. Miguel lebt in Gu-atemala und arbeitet dort als Menschenrechtsan-walt. Seit mehr als zwei Jahren schreibt er für das Guatemalanetz Bern die monatliche Kolumne „No-tizen eines Deutschen Anwalts in Guatemala“, in welcher er die Situation der Menschenrechte und der sozialen Konflikte im Land bespricht.

Weitere Anlässe in Zusammenarbeit mit anderen NGOs

In Zusammenarbeit mit PBI, AI und ACAT hat das Guatemalanetz Bern am 24. März den Anlass „Zwischen Frieden und Gewalt: Eindrücke aus der Menschenrechtsarbeit in Guatemala und Kolumbien“ mitorganisiert. Corsin Blumenthal und Tanja Vultier erzählten von ihrem Einsatz mit PBI in Guatemala respektive Kolumbien. Anschlies-send berichteten der Menschenrechtsverteidiger Marcos Ramírez aus Guatemala und die Menschenrechtsverteidigerin Berenice Celeita aus Kolumbien von ihrer Arbeit und den Bedrohungen, denen sie dadurch ausgesetzt sind.

Am 24. August lud PBI zusammen mit dem Guatemalanetz Bern zum Open-Air Kino ein. Gezeigt wurde der Film „Ixcanul“ des guatemaltekischen Regisseurs Jayro Bustamante. Der Film berichtet über die Herausforderungen im ländlichen Alltag einer Kakchiquel-Maya-Familie in Guatemala.

Neuer Flyer des Guatemalanetzes Bern

Im vergangenen Jahr hat das Guatemalanetz Bern einen neuen Imageflyer gedruckt, der aktuelle Informationen zur Arbeit des Guatemalanetzes enthält und Interessierte ermutigt, sich als Mitglied des Guatemalanetzes Bern anzumelden.

Miguel Mörth Foto: Guatemalanetz Bern

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Kolumne Miguel Mörth

In seiner Kolumne vom Januar 2017 schildert Miguel Mörth die politische Lage in Guatemala mit einem Ausblick auf die kommenden Monate.

Guatemala Stadt, Ende Januar 2017

Notizen eines deutschen Anwalts in Guatemala (20)

Das neue Jahr begann zunächst ruhig, sehen wir davon ab, dass Ricardo Méndez Ruíz, Chef der Stiftung gegen den Terrorismus, zu Jahres-ende verkündete, dass im Fall Diario Militar1 Verhaftungen “unmittelbar bevorstehen” und damit helle Aufregung unter hohen Ex-Offizie-ren verursachte. Tatsächlich ermittelt die Staatsanwaltschaft (StA) und sollte wohl unter Druck gesetzt und gezwungen werden, angeb-lich Beschuldigten Akteneinsicht zu geben und so die Ermittlungen offenzulegen.

Doch dann ging die erste “Bombe” hoch. Rich-ter Carlos Ruano erklärte am 11.1. zu Beginn eines Verhandlungstages im Fall IGGS/Pisa2, dass Blanca Stalling, Richterin am obersten Gericht (CSJ), ihn nach seiner Ernennung als Tatrichter vorlud und versuchte, ihn zu Gun-sten ihres in diesem Fall beschuldigten Sohnes zu beeinflussen. Zwei Stunden später bean-tragten CICIG und StA die Aufhebung Stalling’s Immunität, um sie strafverfolgen zu können.

Es kam aber noch “dicker”. In der Pressekon-ferenz am gleichen Tag wurde bekannt, dass auch die Immunitätsaufhebung gegen den Be-

1 Ein Geheimdienstdossier aus 1983 und 84 mit Information über Folter, Ermordung und Verschwinden von 183 Personen

2 Hier geht es um die Bestechung einer Richterin, in die der Sohn

Stallings verwickelt ist. Ihre Schwägerin, besagte Richterin, wurde 2016 wegen Korruption verhaftet und Stalling selber ist seit Jahren Symbol der korrupten Seilschaften im Justizsystem.

rufungsrichter Orrellana Donis beantragt und die Büroräume des “Königs der Tennisschuhe”

López Villatoro3, durchsucht wurden. Dieser soll Orrellana ein Luxusapartment geschenkt haben als Dank für seine Dienste bei der Wahl der Richter der CSJ. Diese manipulierte “Wahl” war 2014 scharf kritisiert worden und führte zu einem enormen Legitimitätsverlust der Jus-tiz. Damals waren die Eliten durch den Völker-mordprozess 2013 alarmiert und wollten um jeden Preis die Kontrolle über das System be-halten. Die “Dienste” von Orrellana führten konkret zur Wahl von 5 Richtern der CSJ, da-runter die heutige Präsidentin, Silvia Valdés!

Beide Nachrichten lösten ein Erdbeben aus. Blanca Stalling stritt das Treffen mit dem Rich-ter in ihrem Büro nicht ab, sie habe jedoch als Mutter, nicht als Richterin gehandelt; ausser-dem habe er um das Treffen gebeten. Dass das gelogen war, wurde schnell klar. Sie wusste nicht, dass Ruano, der um ihren Ruf wusste, das Gespräch heimlich aufnahm.

Damit stand die Säuberung der Justiz wieder auf der Tagesordnung. Zwei Tage später for-derte Prensa Libre: “Die gesamte CSJ muss zu-rücktreten!”. Schon 2016 mussten zwei dieser Richter wegen Korruption gehen, einer von ihnen sitzt aktuell ein. Und dann sickerte auch

3 Ehemaliger Schwiegersohn von Ríos Montt, der durch den Verkauf gefälschter Markenartikel Mil-lionen machte und seit den Zeiten der FRG als einer der Architekten der ilegalen Struk-turen in der Jus-tiz und des Postulationsprozesses 2014 gilt.

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noch durch, dass Silvia Valdés, ungeachtet ih-res Amtes, eine Hasstirade von Méndez Ruíz gegen Helen Mack und den (der CSJ überge-ordneten) interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte über Whatsapp an viele Richter weitergeleitet hatte.

Das gesamte System ist von illegitimen Struk-turen durchsetzt und es braucht Mut, das öf-fentlich zu machen. Richter Ruano reiste so-fort aus, aber schon Claudia Paz, bis 2014 Ge-neralstaatsanwältin, und Claudia Escobar, Be-rufungsrichterin bis zum gleichen Jahr (sie zeigte Bestechungsversuche eines Abgordne-ten zu Gunsten der Ex-Vizepräsidentin Baldetti an), „geniessen“ faktisch Asyl in den USA. Und Staatsanwalt López, der die Eliten 2013 im Völ-kermordprozess herausforderte, wurde 2016 wegen eines Verkehrsunfalls (!) verhaftet – nach Druck von Méndez Ruíz...

Die nächste Bombe explodierte am 18.1.: Der Sohn von Präsident Morales, dessen ex-Schwiegervater und der Bruder des Präsiden-ten wurden verhaftet! Es geht um den Korrup-tionsprozess um das Grundbuchamt und seine Chefin, Anabela de León. 2016 war sie mit an-deren 22 verhaftet worden, weil ihr Netz mit Betrügereien jeder Art Millionen öffentlicher Gelder veruntreut hatte, darunter auch drei falsche Quittungen, die von der Familie des Präsidenten Morales stammen und auf den Namen eines Familienbetriebes ausgestellt waren, den beide Brüder betrieben haben. Dieses Restaurant war Zentrum der Wahlkam-pagne von Morales und die erlangten Gelder landeten auf dem Konto eines Abgeordneten und Freundes des Präsidenten.

Die Regierung ist schwer angeschlagen, auch wenn die Taten als solche, sollte es sich tat-

4 Neben einem Unterstützungsbrief von Obama an Morales wurde eine Information der DEA (Behörde zur Drogenbekämp-fung der USA) lanziert, dernach der Sohn des Vizepräsidenten

sächlich um Einzeltaten handeln, nicht so schwer wiegen wie die der anderen Korrupti-onsfälle, in denen die CICIG von organisierter Kriminalität spricht. Aber Morales, der mit dem Slogan „Weder korrupt noch Dieb“ die Wahlen gewonnen hatte, stand schon im Au-gust kurz vor dem „Aus“ (Notizen17)4; seine Akzeptanz fiel in einem Jahr von 80 auf 30%. Das mag klammheimliche Freude bei denen auslösen, die wir ein anderes Guatemala wol-len, wird aber auch von denen genutzt, die die CICIG aus dem Land haben und die Krise auf ihre Kosten vertiefen wollen.

Einige Sprecher des traditionellen Systems, das viel zu verlieren hat, spekulieren öffentlich über die „politischen Motive“ der CICIG hinter den Ermittlungen und freuen sich wohl gar da-rüber, dass es keine Haftverschonung gab für die Präsidentenfamilie, die sicher begründbar war. Damit haben sie Material, auf dessen Grundlage sie weiter Zweifel säen und den Teil der Justiz in Frage stellen können, den sie nicht kontrollieren. Und logischerweise wurde dann noch der Chef der CICIG durch den ultrarech-ten Abgeordneten Linares Beltranena ange-zeigt, weil er sich für die Verfassungsreform zur Justiz (Notizen 19) im Kongress einsetzt!

Und dann noch eine Bombe:

Am 26.1. verkünden CICIG und StA, dass Julio Juárez, heute Abgeordneter der Regierungs-partei, Hauptverdächtiger eines Journalisten-mordes im Jahre 2015 ist!! Es geht mal wieder hoch her und ... Fortsetzung folgt (sicher).

Miguel Mörth

Cabrera laut Aussagen in einem Ermittlungsverfahren 500 000 USD von einem Drogenhändler empfangen haben soll. Damit wurde das Nachrücken Caberras erst einmal unmöglich.

3. Advocacy, Lobbying und Vernetzung

Neben Information und Sensibilisierung durch Veranstaltungen betreibt das Guatema-lanetz Bern auch gezieltes politisches Lobbying und Advocacy-Arbeit. Für eine kleine Organisation ist dazu die Vernetzung mit anderen Akteuren von zentraler Bedeutung. Das Guatemalanetz Bern bringt sich aktiv in breit abgestützte Kampagnen und Prozesse ein. In den letzten Jahren standen dabei das „Schweizer Forum für Menschenrechte und Frieden in Guatemala und Honduras“ (kurz: Foro Suizo), die Zentralamerika-Platt-form und die Konzernverantwortungsinitiative im Fokus.

Die direkte Verbindung des Foro Suizo nach Guatemala und Honduras bestand über dessen Kollektivmitgliedschaft in der „Plataforma Internacional contra la Impunidad”. Im November 2017 wurde die Plataforma als Verein mit Sitz in Genf neu konstituiert. Diese institutionelle Veränderung wirkt sich auf die ‚Vernetzungslandschaft’ der Schwei-zer Akteure aus und verlangt im kommenden Jahr eine Neuverteilung und Konsolidie-rung von verschiedenen Rollen und Verantwortungsbereichen.

Vereinsgründung: Internationale Plattform gegen Straflosigkeit

Die Plataforma ist eine von europäischen NGOs getragene Initiative, die sich insbeson-dere in drei Bereichen engagiert:

- Unterstützung und Förderung von Initiativen, die eine unabhängige Justiz stär-ken: Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit.

- Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen. - Verteidigung und Schutz der Rechte indigener Völker – insbesondere indigener

Frauen – gegenüber Wirtschaftsinteressen.

Ein Schwerpunktziel der Plataforma ist es, MenschenrechtsverteidigerInnen Zugang zu nationalen, regionalen und internationalen Menschenrechtsmechanismen zu verschaf-fen. Neben der Arbeit in Zentralamerika (primär Guatemala und Honduras) ist somit auch Genf ein zentraler Arbeitsort. Mindestens zweimal im Jahr begleitet die Plataforma Delegationen zu UNO-Aktivitäten, zum Beispiel die Session des UNO-Menschenrechts-rates und das Forum für Wirtschaft und Menschenrechte.

Die Wichtigkeit der Arbeit der Plataforma wird von verschiedenen Seiten immer wieder hervorgehoben, unter anderem von der Schweizer Botschaft in Guatemala und von der DEZA. Ein starkes Defizit der Plataforma lag jedoch in der fehlenden institutionellen Sicherheit: seit Beginn ihrer Tätigkeiten im Jahr 2002 agierte sie ohne eine eigene juristische Person zu sein. Um die Plataforma weiter zu festigen und insbesondere um die Verhandlungsposition gegenüber Finanzgebern zu stärken, war eine Formalisierung

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der Organisationsstrukturen unumgänglich. Nach mehreren Diskussions- und Konsul-tationsrunden wurde entschieden, einen Verein „Plataforma Internacional Contra la Im-punidad“ mit Sitz in Genf zu gründen. Dies aus zwei Gründen: (1) Eine Vereinsgründung in der Schweiz ist im Vergleich zu Guatemala und Honduras sehr einfach. (2) Vereinen mit Sitz in Genf ist es möglich vom Kanton und von der Stadt Genf finanzielle Unter-stützung für ihre Menschenrechtsarbeit im Rahmen der UNO zu beantragen. Dennoch ist es wichtig zu betonen, dass der Schwerpunkt der Arbeit der Plataforma in der Region Zentralamerika bleiben soll. Als nächster Schritt sollen deshalb Ableger des Schweizer Vereines Plataforma in Guatemala und Honduras legalisiert werden. Ein Prozess, der einige Hürden mit sich bringen kann, aber wir sind zuversichtlich und motiviert.

Der Verein Plataforma wurde am 29. November 2017 in Genf gegründet. Zu den Kol-lektivmitgliedern gehören NGOs aus der Schweiz, Holland, Guatemala, Honduras und El Salvador. Die Koordinatorin des Guatemalanetzes Bern wurde zur Präsidentin des Vorstandes gewählt. Es freut uns sehr, aktives Mitglied der Plataforma zu sein und so den direkten Kontakt zu den Akteuren in Guatemala zu sichern.

Für die spezifische Advocacy- und Lobbyarbeit gegenüber Schweizer Behörden und für den Austausch unter Schweizer NGOs, die in und zu Zentralamerika arbeiten, bleiben die informellen Netzwerke Foro Suizo und Zentralamerika-Plattform weiterhin beste-hen.

Gründungsversammlung „Plataforma Internacional Contra la Impunidad“ Foto: Guatemalanetz Bern

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4. Jahresrechnung 2016 – 2017

Jahr Vorjahr 2017-2018 2016-2017 BILANZ Aktiven Betriebskonto PC 30-15890-6 7'976.72 9'215.84 Depositenkonto PC 92-102845-3 65'327.80 65'327.80 Transitorische Aktiven 2'000.00 0.00 Total Aktiven 75'304.52 74'543.64 Passiven Verbindlichkeit gegenüber Dritten (Kreditoren) 0.00 750.00 Vorauszahlungen 10'000.00 0.00 Noch nicht bezahlter Aufwand (TP) 305.45 0.00 Eigenkapital 73'793.64 73'352.83 Gewinn/Verlust -8'794.57 440.81 Total Passiven 75'304.52 74'543.64 ERFOLGSRECHNUNG Ertrag Mitgliederbeiträge 3'960.00 4'540.00 Spenden 1'210.00 2'930.00 Spenden Todesfall 0.00 1'970.00 Kollekten Kirchgemeinden 453.10 476.35 refbejuso Bern 10'000.00 10'000.00 Spenden Kirchgemeinden 5'000.00 6'000.00 Total Ertrag 20'623.10 25'916.35 Aufwand Personalaufwand Löhne 16'764.80 16'765.15 AHV/IV/EO/ALV/FAK 2'672.00 2'674.25 Versicherungsbeiträge / Unfall 435.95 394.95 Spesen Koordinatorin 112.00 0.00 Weiterbildung Koordinatorin 50.00 0.00 Spesen Vorstand 100.00 326.30 Total Personalaufwand 20'134.75 20'160.65 Betriebsaufwand Büromaterial, Briefschaften 55.85 611.65 Informations- und Oeffentlichkeitsarbeit 3'519.90 978.50 Delegationsreise Guatemala 2018 2'280.50 0.00 Veranstaltungen, Kampagnen 2'264.97 1'787.39 Anerkennung Freiwilligenarbeit 509.60 500.00 Beiträge an Organisationen 500.00 1'335.00 Postkontospesen 152.10 154.05 Postkonto Zinsertrag 0.00 51.70 Total Betriebsaufwand 9'282.92 5'314.89 Total Aufwand 29'417.67 25'475.54

Erfolg -8794.57 440.81

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5. Dank

Unsere Informationsarbeit wäre ohne die wertvolle Unterstützung von freiwilligen Mit-arbeitenden sowie Mitgliedern, Spenderinnen und Spendern nicht möglich. Ein herzli-ches Dankeschön dafür an Sie alle.

Institutionen und Personen, die uns mit 1‘000 oder mehr unterstützt haben: Kirchgemeinde Ostermundigen, Kirchgemeinde Zollikofen und OeME-Kommission der Gesamtkirchgemeinde Bern; Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn.

Vielen herzlichen Dank für Ihre grosszügige Unterstützung.

Vorstand

Co-Präsidium Julia Nöthiger und Susanne Schneeberger Geisler, Bern

Michèle Jöhr, Bern Beatrice Junod, Chêne-Bougeries/GE Ursula Liniger, Interlaken Corsin Blumenthal, Bern (neu seit Juni 2017)

Koordinatorin

Alice Froidevaux, St.Gallen/Bern

Revisoren

Walter Brunner, Bern Hans-Ueli Häni, Bern

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Guatemalanetz Bern

c/o Ref. Kirchen Be - Ju - So, Fachstelle OeME Altenbergstrasse 66

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Tel: 031 340 26 06 [email protected]

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