ZeitZeugenBrief · Dame ist das, was sein Alias da über Kuba und Castro äußert, offenbar...
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VIII - IX / 2014 - 1
ZeitZeugenBrief Wir organisieren und vernetzen Erinnerungsarbeit August/September 2014
v.l.n.r.: Autorin Katrin Himmler, Dr. Christoph Kreutzmüller, Dr. Hans-Christian Jasch
Haus der Wannseekonferenz 28.5.14, Foto: Michael Haupt
Das Private einer Nazigröße
Von Sebastian Triesch, Historiker
Der Briefwechsel zwischen Heinrich und
Margarethe Himmler ist als Buch erschienen
Heinrich Himmler war als Polizeichef, „In-
spekteur“ der Gestapo und „Reichsführer“
der SS eine der wichtigsten Figuren des
Nationalsozialismus und mit seiner Verfü-
gungsgewalt entscheidend an der Juden-
verfolgung- und vernichtung beteiligt. Unter
dem etwas reißerischen, nach Guido Knopp
klingenden Titel „Himmler privat – Briefe
eines Massenmörders“ ist kürzlich der
Briefwechsel zwischen Heinrich Himmler
und seiner Frau Margarethe (genannt
Marga) erschienen. Herausgegeben und
zusammengestellt hat ihn die Politikwissen-
schaftlerin und Großnichte Himmlers, Katrin
Himmler, zusammen mit dem Zeithistoriker
Michael Wildt. Im Rahmen einer Lesung
präsentierte Katrin Himmler das Buch am
28. Mai 2014 im Haus der Wannseekonfe-
renz, nachdem sie vom Historiker Christoph
Kreutzmüller kundig vorgestellt wurde.
Inhalt
Das Private einer Nazigröße 1
Ein farbiges Theatererlebnis 2
Unglaublich 4
Verhinderung und Schadensbegrenzung 6
Ackerstraße 7
Leben mit Copernicus 8
Zwei Tage Begegnung mit der Zeit nach 1945 8
In eigener Sache 10
Gratulationen 10
Zeitzeugen gesucht 10
Veranstaltungen 11
Bodoni-Museum 11
Impressum 12
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Katrin Himmler hielt sich an die Chronologie
der Briefe und warf so Schlaglichter auf die
sich wandelnden Umstände, in denen das
Paar lebte. Die frühen Liebesbriefe aus den
Jahren 1927 und 1928, in denen Heinrich
Himmler als Parteiarbeiter in Bayern wirkte,
bringen kaum Politisches zur Sprache, son-
dern behandeln vor allem das Leiden unter
der Abwesenheit des Anderen in einer
Fernbeziehung. Dass die beiden auch poli-
tisch und ideologisch auf einer Wellenlänge
waren thematisierte Katrin Himmler, illus-
trierte es aber nicht mit Stellen aus dem
Briefwechsel. Neben dem Antisemitismus
teilten Heinrich und Margarete Himmler die
Idealisierung des Landlebens. Bereits 1928
bezogen sie nach ihrer Hochzeit ein Haus
mit Grundstück in der Nähe Münchens, wel-
ches zum landwirtschaftlichen Betrieb aus-
gebaut wurde. In späteren Briefen rücken
die Erlebnisse Margarethe mit den beiden
Kindern in den Fokus, mit Kriegsbeginn wird
die materielle Versorgung thematisiert.
Ein Briefwechsel dieser Art ist von keiner
weiteren NS-Größe bekannt. Er deckt die
Jahre von 1927 bis 1945 ab, lediglich aus
dem Zeitraum zwischen 1933 und dem Be-
ginn des Zweiten Weltkriegs gibt es kaum
Briefe. Von 1942 an gehen die Briefe nur
noch von Heinrich Himmler an seine Frau.
Dadurch, dass die Herausgeber des Bandes
neben den Briefen auch Tagebucheinträge
Margarete Himmlers in das Buch aufnah-
men, ergibt sich dennoch ein umfassendes
Bild für die komplette Dauer ihrer Bezie-
hung. Tief greifende Erkenntnisse über die
Funktionsweise des Nationalsozialismus
oder den Ablauf des Holocausts lassen sich
daraus natürlich nicht ableiten. Klagen wie
die Margaretes, Heinrich Himmler sei „fast
nie da und kennt nur Arbeit“ sind jedoch
einmal mehr ein Beispiel für die schon von
Hannah Arendt konstatierte „Banalität des
Bösen“, wenn man sich einmaldurch den
Kopf gehen lässt, worin Himmlers „Arbeit“
denn bestand. Auch wenn anhand der
Briefe, wie Katrin Himmler sagt, nur Speku-
lationen möglich sind, so geht aus ihnen
doch recht klar hervor, dass Heinrich
Himmler und seine Frau während des Holo-
causts mit sich und ihrem Handeln im Rei-
nen waren. Aufgrund ihrer gemeinsamen
Radikalisierung bezeichnete Frau Himmler
die Eheleute als „Brüder im Geiste“. Be-
zeichnend dafür, dass Heinrich Himmler
sich nie vom Nationalsozialismus löste ist
auch der Umstand, dass er den letzten Brief
(vom 17.April 1945), den er an seine Frau
schrieb als einzigen mit den Worten „Heil
Hitler“ unterschrieb. Margarethe Himmler
blieb ihrem Mann gegenüber über dessen
Tod hinaus loyal und wirkte in der Bundes-
republik in Netzwerken von Altnazis mit. Sie
lebte noch bis 1967.
Die Ausführungen Katrin Himmler boten
einen ersten Einblick in die Beziehung von
Heinrich und Margarethe Himmler. Im Zuge
der Veröffentlichung der Briefe hat die
WELT außerdem auf ihrer Homepage ein
umfangreiches und informatives Dossier zu
dieser Thematik erstellt. Zu finden ist es
unter der Adresse
http://www.welt.de/himmler/.
Ein farbiges Theatererlebnis Von Hans-Günther Dicks
„Geschichten von hier“ heißt das Theaterprojekt von Frank Abt am Deutschen Theater, dessen vierte Folge unter dem Titel „Was uns bleibt“ in Kooperation mit der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch entstand und am 12. April ihre Uraufführung erlebte. Es muss ein Abend der besonderen Art gewesen sein, denn wann sonst spielen die Schauspieler Personen, die ganz leibhaftig vor ihnen im Publikum sitzen? In die-sem Fall die Mitglieder von drei Familien, deren wand-lungsvolle Geschichte durch die Generationen erzählt wird. Ein Theaterexperiment, das auch sein Publikum zu Mitspielern machen muss, denn anders als im Film muss das Theater für solche „Parallelmontage“ nicht die Orte der Handlung, sondern das Publikum wech-seln. Ein Problem, das man im DT schlicht durch farbig markierte Stuhllehnen löst, die - nach einem gemein-samen ersten Teil - jeden Zuschauer an einen neuen Spielort schicken und ihn so jeweils der roten, grünen oder weißen Familiengeschichte zuordnen. In der von
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uns besuchten Aufführung wählten wir aus nahelie-genden Gründen die „weiße“: die darin geschilderte Familie Sylten ist den Lesern der „Grüber-Post“ bes-tens bekannt.
Foto: Arno Declair, Deutsches Theater
Der Titel „Was uns bleibt“ klingt nach einer nüchternen Bestandsaufnahme, aber er wirft, passend für ein solches Theaterexperiment, eher Fragen auf. Wer zieht da Bilanz? Was bilanziert er, welche Vorgänge, welche Zeit? Nach welchen Kriterien, mit welchen Mitteln, und wen meint er mit „uns“? Einige dieser Fragen sind rasch beantwortet. Die erzählte Zeit reicht etwa von 1914 bis heute und spielt sich im deutschen Sprachraum ab. Erzählt wird mittels Interviews, die der Journalist Dirk Schneider mit den Dargestellten führte und die nun auf der Bühne leicht gekürzt, aber wortge-treu von den Schauspielern gesprochen werden. Die Geschichten handeln von den großen wie den kleinen Ereignissen im Mikrokosmos der jeweiligen Familien und von den Spuren, die die deutsche, ja, die Weltge-schichte darin hinterlassen hat.
Ein buntes Sammelsurium aus Fotos, Gerätschaften und Nippes, Souvenirs aus vielen Jahrzehnten ist da auf dem Bühnenboden versammelt: geronnene Ge-schichte. Vier Schauspieler treten auf, betrachten ein-zelne Stücke näher, schaffen Stille und Aufmerksam-keit für die Texte, die sie dann vortragen. Texte aus Briefen von deutschen Frontsoldaten, anfangs voller Siegeszuversicht und „Herrenrasse“-Bewusstsein. Ganz allmählich kommen Zweifel und Skepsis hinein, gewinnt das real Erlebte Oberhand über die Phrasen der Kriegspropaganda. Es sind Texte, wie sie auch Werner Sylten geschrieben haben könnte, der als junger evangelischer Theologie-Student jüdischer Abstammung im Ersten Weltkrieg Soldat wurde. Wäh-rend der Nazizeit leitete er im Büro Grüber vor allem die Unterstützung für die mit ihren Angehörigen immer stärker aus ihrem gewohnten sozialen Umfeld ver-drängten Verfolgten und half mit, mehr als tausend „nicht-arischen Christen“ zur lebensrettenden Auswan-derung zu verhelfen. Als ihn die Nazis ins KZ sperrten, musste er erfahren, wie wenig sein Dienst fürs Vater-
land den braunen Horden galt; am 26. August 1942 wurde Werner Sylten in der NS-Tötungsanstalt Hartheim bei Linz vergast.
Im Reinhardtzimmer des DT wird die „weiße“ Ge-schichte fortgesetzt .Dem Regisseur Frank Abt geht es darum, „das Beziehungsgeflecht“ seiner Figuren zu untersuchen und „zu ergründen, wie der Einzelne zu dem geworden ist, was er ist.“ Im Zusammenführen mehrerer Generationen einer Familie soll „eine Vor-stellung davon (entstehen), was Familie bedeutet: Nämlich den anderen akzeptieren zu müssen, wie er ist, und das auch auszuhalten.“ Zum Beispiel, wenn Werner Syltens Sohn Walter in Loyalitätskonflikt zwi-schen Familie und Amt gerät: Als Leiter des Bezirks-amts in Zehlendorf mit SPD-Parteibuch muss er in den wilden 1970er Jahren damit fertig werden, dass sein eigener Sohn Thomas mit anderen Hausbesetzern sein Büro besetzt; später wird Thomas als Kleinunter-nehmer mit alternativen Reiseangeboten seinen Kun-den das sozialistische Kuba näher bringen – fernab der Medienklischees in ihren Köpfen. Oder wenn Thomas’ Tochter (auf der Bühne dargestellt von einem jungen Mann) ungeniert ihre Irritation über des Vaters Amouren kundtut und ihm dennoch dankbar ist für Ratschläge zum eigenen Lebensweg.
Welche Gefühle mögen Walter Sylten bewegt haben, als er den Darsteller Markwart Müller-Elmau seine Worte reden hörte, nun gesprochen nicht in der relati-ven Privatheit eines Interviews, sondern zu Menschen, die ein Theaterereignis erwarten? Was mag da im Kopf des realen Thomas vor sich gehen, der unmittel-bar vor mir im Publikum sitzt? Dass er sich von Matt-hias Neukirch richtig dargestellt fühlt, dafür bürgt Abts Verfahren, das den Figuren keine fremden Worte in den Mund legt. Aber ist das einmal Gesagte auch jetzt noch richtig, auch in diesem Kontext? Sieht er wie ich in den Gesichtern der Zuschauer die gleiche verhal-tene Schockwirkung seiner Worte? Einer älteren Dame ist das, was sein Alias da über Kuba und Castro äußert, offenbar unangebrachte Kuba-Propaganda: „Dafür sind wir nicht gekommen. Wir wollen mehr über Ihren Vater hören“ ruft sie zur Bühne hinüber. Denken vielleicht viele hier so?
Zu meiner Verblüffung merke ich, dass all meine Skepsis, mit der ich sonst solchen Theaterexperimen-ten begegne, spätestens jetzt verflogen ist. Das ist weder eitles Regietheater zur Profilierung eines Regis-seurs noch oberflächliche Nachhilfe von Pseudohisto-rikern à la Guido Knopp, weder zeit- und beziehungs-loses l’art pour l’art noch politisches Kampagnenthea-ter. Vergessen ist, dass die Schauspieler auswendig gelernte Texte hersagen, die nicht irgendeiner literari-schen Phantasie, sondern der in Interviews transpor-
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tierten Erfahrung lebender Menschen entstammen. Schon nach den ersten Sätzen des Dialogs zwischen Vater und Sohn Sylten meint man nicht mehr im The-ater, sondern am Kaffeetisch mit ihnen zu sitzen und mit ihnen zu diskutieren, als wären die aufgeworfenen Fragen dem eigenen Nachdenken entsprungen.
Brechts Satz - „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ als mahnende Bilanz der Nazizeit ließ Re-gisseur Abt vom DT-Publikum auf seine Aktualität überprüfen. Wenn sich die drei Zuschauergruppen nach den roten, weißen und grünen Einzelgeschichten wieder am gemeinsamen Ort versammeln, finden sie dort statt der Stuhlreihen ein weites Karree weiß ge-deckter Tische vor, auf denen nach den fast zweiein-halb Stunden Spieldauer gut gefüllte Suppenterrinen eine schmackhafte Stärkung anbieten. Und wenn es noch eines Beweises für die kommunikative Wirkung des Stücks bedurft hätte, entwickeln sich über die Suppenteller hinweg im Nu lebhafte Gespräche, bei denen sich alle über das jeweils Gesehene austau-schen und sehr bald auch eigene erlebte Geschichten einbringen. Was ihnen bleibt von diesem Theater-abend? Ich weiß es nicht. Mir aber bleibt ganz sicher die Erinnerung an ein so gar nicht „bühnenmäßiges“ Bühnenstück, dessen Anregungen und Fragen noch lange nachhallen werden.
Unglaublich Von Klaus-Dieter Pohl, Zeitzeuge
Nach dem Vorbild des Auswärtigen Amtes,
dessen Geschichte von 1933 bis in die jün-
gere Vergangenheit auf Initiative des dama-
ligen Bundesministers des Auswärtigen
Joschka Fischer von Historikern seziert
worden war, gibt es inzwischen mehrere
gleichgelagerte Projekte von Bundesmini-
sterien und Bundesbehörden.
So bestellte im Jahre 2012 die damalige
Bundesministerin der Justiz Sabine Leut-
heusser-Schnarrenberger eine Unab-
hängige Wissenschaftliche Kommission,
deren Aufgabe es sein sollte, die „personel-
len und sachlichen Kontinuitäten des Bun-
desministeriums der Justiz der 1950er und
1960er Jahre auszuleuchten.“ Geleitet wird
diese interdisziplinäre Kommission von dem
Marburger Rechtswissenschaftler Prof. Dr.
Christoph Safferling und dem Potsdamer
Historiker Prof. Dr. Görtemaker. Und bereits
im Jahre 2013 zog die Kommission eine
Zwischenbilanz in Buchform mit dem Band
„Die Rosenburg – Das Bundesministerium
der Justiz und die NS-Vergangenheit – eine
Bestandsaufnahme“. Die „Rosenburg“ in
Kessenich bei Bonn war von 1950 bis 1973
Sitz des BMJ.
Und nun, wieder ein Jahr später, berichtete
Prof. Görtemaker beim Zentrum für Zeit-
historische Forschung Potsdam am
19.06.2014 in einem Vortrag über den Fort-
gang der Arbeit der Kommission. Mein Ein-
druck lässt sich vielleicht am besten mit drei
Begriffen umschreiben: Interessant, er-
schreckend und Ratlosigkeit auslösend zu-
gleich.
Interessant: Das BMJ – das kleinste Bun-
desministerium mit nur ca. 200 Mitarbeitern
des Höheren Dienstes – verfügt über einen
kompletten und „unbereinigten“ Bestand an
Personalakten, die – wie der Referent
meinte – „aus gutem Grund“ nicht im Bun-
desarchiv gelandet sind. Und nur dem en-
gagierten Einsatz der Ministerin ist es zu
danken, dass die Kommission ungehinder-
ten Zugang zu allen Akten bekam.
Erschreckend: Wohl in keinem Ministerium
und in keiner Bundesbehörde gab es nach
1945 bzw. nach der Gründung der Bundes-
republik im Jahre 1949 einen so hohen An-
teil an aus der NS-.Zeit vorbelasteten Mit-
arbeitern und zwar – man mag es kaum
glauben – mit bis ins Jahr 1960 zunehmen-
der Tendenz. In diesem Jahr waren sämtli-
che acht Abteilungsleiter – zum Teil erheb-
lich - NS-belastet. Es war eben nicht nur
Eduard Dreher – von 1951 bis 1969 im BMJ
-, der 1968 gewissermaßen „im Windschat-
ten“ der Großen Strafrechtsreform an un-
auffälliger Stelle im Einführungsgesetz zum
Ordnungswidrigkeitengesetz eine Vorschrift
platziert hatte, die – im Gesetzgebungsver-
fahren von niemandem bemerkt – eine
„kalte Amnestie“ für fast alle NS-Verbrecher
zur Folge hatte. Prof. Görtemaker bezog
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sich hierbei insbesondere auf ein mit Prof
Ehmke – damals Staatssekretär im BMJ,
dessen Minister Gustav Heinemann war –
geführtes Gespräch. Ein unverdächtiger
Zeuge
Auch der Abteilungsleiter Familienrecht,
Franz Maßfeller, war bereits im Reichsjus-
tizministerium an gleicher Stelle tätig, näm-
lich Referatsleiter für Familien- und Rasse-
recht.
Und der Referatsleiter für politisches Straf-
recht im Reichsjustizministerium – der
Name wurde nicht erwähnt – war in gleicher
Funktion im BMJ tätig.
Wie konnte es zu diesen personellen Konti-
nuitäten kommen? Da Justiz nach unserer
Verfassung Ländersache ist, erfolgte die
Rekrutierung für das Bundesministerium
über die Länderjustizverwaltungen und hier-
bei nach „rein fachlichen Kriterien“. Gab es
keine unbelasteten Juristen, zum Beispiel
Remigranten? Görtemaker hierzu: Man hat
sie gar nicht gesucht.
Bis 1953 gab es im BMJ eine „Zentrale
Rechtsschutzstelle“ (die danach beim Aus-
wärtigen Amt angegliedert war), die ihre
Aufgabe insbesondere darin sah, ins Aus-
land geflüchtete NS-Täter zu warnen, wenn
ihnen im Aufnahmeland Strafverfolgung
drohte, bzw. sie zu vertreten.
Im BMJ wurde das Nürnberger Juristenurteil
von 1947 (Wo es in einem Satz heißt: „Der
Dolch des Mörders war unter der Robe des
Juristen verborgen.“) für Unrecht erachtet,
während die Urteile der Standgerichte und
des Volksgerichtshofes unangetastet blie-
ben und erst 1998 bzw. 2002 aufgehoben
wurden. Überhaupt: Nur im sogenannten
Juristenprozess in Nürnberg sind Juristen
für in der NS-Zeit begangene Handlungen
verurteilt worden – das Verfahren gegen
den Beisitzer am Volksgerichtshof (im
Freisler-Senat) Hans Joachim Rehse bei-
spielsweise, der an 231 Todesurteilen mit-
gewirkt hatte und dessen Verurteilung durch
das Landgericht Berlin vom Bundesge-
richtshof aufgehoben und an das Landge-
richt zurückverwiesen worden war, starb,
bevor das erneute Verfahren beendet war.
Und auch die Verbindung „zur Politik“ funk-
tionierte: Der FDP-Abgeordnete Rechtsan-
walt Ernst Achenbach organisierte zusam-
men mit seinem in gleicher Kanzlei tätigen
Kollegen Werner Best, dem früheren Chef-
ideologen im Reichssicherheitshauptamt.,
eine Kampagne für eine Generalamnestie
für Kriegsverbrecher – unterstützt von und
parallel zu Bestrebungen im BMJ.
Mit dieser kleinen Auslese soll es sein Be-
wenden haben. Wenn 2016 –wie angekün-
digt – die Kommission ihre Arbeit beendet
haben wird, werden wir (noch) mehr wissen.
Es sei denn, den Witwen gelingt, was ihnen
bisher trotz Bemühens nicht gelungen ist:
Das „Ansehen“ ihrer Männer dadurch zu
schützen, dass sie weitere Veröffentlichun-
gen verhindern. Die NS-belasteten Mitar-
beiter des BMJ hatten jedenfalls – so
Görtemaker – offenbar keinerlei Unrechts-
bewusstsein, hatten sie doch nur ihre Pflicht
erfüllt.
Ratlosigkeit: Der erste Bundesminister der
Justiz (von 1949 bis 1953) war Dr. Thomas
Dehler (FDP), der mit einer Jüdin verheiratet
wart. Staatssekretär im BMJ war von 1949
bis 1963 Dr. Walter Strauß (CDU), ein zum
evangelischen Glauben konvertierter Jude.
Es hinterlässt – jedenfalls bei mir – kopf-
schüttelnde Ratlosigkeit, warum diese Per-
sonen vor dem Hintergrund ihrer nur wenige
Jahre zuvor gemachten eigenen Erfahrun-
gen in „ihrem Hause“ so gehandelt haben.
Und am Ende bleibt natürlich die Frage: Wie
war es möglich, dass mit solchen Fachleu-
ten am Ende doch ein Rechtsstaat daraus
geworden ist?
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Verhinderung und Schadensbegrenzung
von zivilen und militärischen Katastro-
phen. Traumata bei Betroffenen und der
Umgang mit den Langzeitfolgen.
Von Philipp Sonntag
Philipp Sonntag, Foto: Klaus Peschke
Vortrag bei Zeitzeugenbörse 15. Juli 2014
Urania 4-10
Als Child Survivor, geboren 1938 in
Halle/Saale, habe ich die Verfolgung der
Nazis überlebt. Ich habe diesmal diese Er-
fahrung und die Auswirkungen auf mein
Leben als ein Beispiel zur Einführung in
mein Thema genommen, weil meine Kind-
heitserlebnisse danach meine berufliche
Laufbahn stark geprägt haben.
Mein Bericht war für die anwesenden Zeit-
zeugen insofern ungewohnt, als ich die
Frage, was Zeitzeugen mit ihren Berichten
bezwecken, sogleich auf mich selbst ange-
wandt hatte: Wohin will ich als Zeitzeuge die
Gesellschaft aufrütteln, was zumindest habe
ich selbst daraus gemacht – soweit es für
die Erfordernisse unserer Gesellschaft von
Bedeutung sein kann?
Bei mir heißt das vor allem: ich habe den
möglichen Atomkrieg in vielen Details unter-
sucht: Eskalationsgefahr, Schäden, Wirkung
von Zivilschutzmaßnahmen. Dazu kannte
ich persönlich die politisch aktivsten Atom-
physiker der „Göttinger 18“, welche Ade-
nauer und Strauß den Bau einer deutschen
Atombombe verweigerten.
Zu diesen Themen kam ich jedoch kaum,
meine Themenbreite war diesmal allzu be-
lastend, wie für Zeitzeugen gewohnt sollte
ich mehr ins Detail gehen als Zeuge für die
Zeit bis 1945. Nun bin ich kein Zeitzeuge für
die grausamsten Aktionen der Nazis, wie
KZ, Ghettos. Aber meine jüdische Mutter litt
stark unter dem Eindruck dieser Gefahren,
ihr Bruder mit Frau und drei Kindern war in
Auschwitz ermordet worden, mein Vater war
als Bauingenieur bei Baufirma Philipp Holz-
mann „UK“ (unabkömmlich) gestellt worden
und mit den Umbauten in Bergen-Belsen im
Detail vertraut. Und er stand unter der Dro-
hung eines Himmelfahrtskommandos (Fall-
schirmspringer mit Einsatz im Feindesland),
wenn er sich nicht von seiner jüdischen Frau
trennen würde – was für sie und meinen
Bruder und mich den Tod bedeutet hätte. In
dieser Bedrohungslage hat meine Mutter
versucht, durch Suizid das Leben ihrer bei-
den Kinder zu retten, verbunden mit dem
Wunsch, dass mein Vater eine „arische“
Frau heiraten solle. Das geschah, so gelang
das Überleben für meinen Bruder und mich.
Die begleitenden Eindrücke vor und nach
dem Suizid haben sich mir stark eingeprägt.
Niemand vermochte mir, ich war 1944 ge-
rade 5 Jahre alt, eine Erklärung zu vermit-
teln. Ich erinnere jedoch deutlich die Verle-
genheiten der Erwachsenen – es war mir
klar, dass „etwas nicht stimmte“, erst lange
später konnte ich mir den Sachverhalt erklä-
ren.
Es hieß dann, meine zweite Mutter hätte
„Schwierigkeiten mit mir“. Man sagte mir,
meine Mutter „im Himmel“ würde sehen wie
ich mich renitent benehme und ich solle
mich schämen. Das steigerte meine Reni-
tenz enorm, weil eins war klar, meine eigene
Mutter würde mich niemals so ungerecht
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behandeln, wie ich laufend erleben musste.
Nachdem mein acht Jahre älterer Bruder die
Familie verlassen hatte, fühlte ich mich „zu
Hause“ wie in einem mürrischen Hotel. Ich
wollte unbedingt etwas gegen Gewalt tun
und studierte Physik und Politische Wissen-
schaften zugleich, bis 1964. Nun gibt es zu
solchen Erlebnissen eine Fülle von Zeitzeu-
gen. Sinnvoll wäre mein Einsatz als Zeit-
zeuge vor allem für die Geschehnisse ab
1964.
Mein erster Chef war 1964-1978 Carl Fried-
rich von Weizsäcker, Hauptthema waren
Atomkrieg, Rüstungskontrolle und Ethik ins-
besondere im Bereich Technikfolgen.
Die zentralen Themen meines Lebens, für
die ich als Zeitzeuge verfügbar bin, sind
die Umstände von Zusammenbruch und Wiederaufbau von Gesellschaften
sowie die Langzeitfolgen bei Geschä-digten
und dabei die psychischen und gesellschaft-
lichen Zusammenhänge. So untersuchte ich
in Hiroshima die medizinischen Langzeit-
schäden und war und bin in Kontakt mit
„Hibakusha“, den Opfern der Atombombe.
Ich war und bin im Bereich Katastrophen-
schutz besonders mit Fachleuten zu gesell-
schaftlichen Zusammenhängen im Kontakt,
ich bin selbst im Verein der Child Survivors
Deutschland laufend mit den therapeuti-
schen Erfordernissen befasst – ich bin also
Zeitzeuge nicht nur für die Leiden bis 1945,
sondern für die Folgen bei den Überleben-
den bis in die Gegenwart.
Ich bin ein Zeitzeuge für die Erwartungen
der Experten für zukünftige Katastrophen.
Die könnte man auch direkt fragen, aller-
dings stelle ich es in meine gesamthistori-
sche Erfahrung der Sachverhalte. Ich wurde
als Zeitzeuge zur Feier des hundertsten
Geburtstages des Zukunftsforschers Robert
Jungk eingeladen, konnte dort seine Er-
mahnungen auf die Jetztzeit beziehen. Wie
gut mir das gelingt, ist eine andere Frage –
aber so sieht mein Anspruch an Zeitzeugen
aus, und ich lebe das. Damit habe ich am
15. Juli ein paar Zeitzeugen genervt – auch
das war mein Anspruch.
Ferner, im Nebenberuf als „Zeitmaschinen-
navigator Phila“ berichte ich gerne aus der
Zukunft. Zur Einhaltung der Kausalität ver-
langt die Weltzeit-Zensur allerdings, dass
ich nur Dinge berichte, welche die Zuhörer
sowieso (noch) nicht glauben (können).
Siehe auch www.edel-terroristen.de und
www.philipp-sonntag.de
Ackerstraße
Von Jutta Hertlein
Innenhof Ackerstr. 13, Foto: Dieter Geffers
Die Acker- und Bergstraße und ihre Höfe
sind unerwartet interessant, erkannten die
Teilnehmer einer kleinen Führung am letz-
ten März-Wochenende. Auch der Hof der
Ackerstraße 13, wo die Zeitzeugenbörse ihr
Domizil hat, wurde als hübsch und stim-
mungsvoll bewundert. Die Vorsitzende Eva
Geffers (im Bild), die wie einige Zeitzeugen
mit wanderte, nutzte die Gelegenheit zu
einer kurzen Werbung in eigener Sache.
Herr Bädicker als ehemaliger Mitarbeiter der
Kommunalen Wohnungsverwaltung Mitte
bestens informiert, bot die Führung als Er-
gänzung zu seiner Ausstellung in der VHS
Linienstraße ehrenamtlich an. Vom Kop-
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penplatz ging es durch die Ackerstraße zum
Pappelplatz, weiter zur Elisabethkirche über
den Friedhof Bergstraße bis zum Heinrich-
Zille-Park.
Da Herr Bädicker noch weitere Touren im
Innenstadtbereich für ausgewählte Gruppen
kostenlos anbietet, werden wir uns ganz
sicher noch einmal an ihn wenden.
Leben mit Copernicus
Von Jutta Hertlein, Zeitzeugin
Wie so oft fing es recht harmlos an. Die in
Berlin studierende Tochter von langjährigen
Freunden fragte uns, ob wir für ein paar
Tage einen Studenten aus Minsk unterbrin-
gen könnten. Er habe vom Verein Coper-
nicus ein Stipendium erhalten, bisher seien
noch keine Gasteltern gefunden und ob wir
nicht…
Wir überlegten, dass wir schließlich mal zu
viert zusammen gewohnt hatten. Zwei Kin-
der waren endgültig ausgezogen, da
konnten wir eigentlich nicht behaupten, nur
vorübergehend Platz für ein neues zu ha-
ben. Also gaben wir uns einen Ruck. Ilya
blieb für ein halbes Jahr bei uns, gefolgt
von Darko aus Rijeka und Sinisa, ebenfalls
aus Kroatien.
Inzwischen haben wir drei Enkelkinder, die
uns gerne besuchen, und deshalb kein
Zimmer mehr übrig. Aber die Erfahrungen
mit unseren drei „Stips“, wie es Copernicus-
intern heißt, waren wirklich nett, und ich
gebe die Bitte des Vereins, der zum 1. Ok-
tober wieder einmal Gasteltern sucht und
den die gegenwärtige Vorsitzende Laura
anschließend genauer vorstellt, gerne wei-
ter. Übrigens: Alle StipendiatInnen spre-
chen sehr gut deutsch.
Wie es bei Shakespeare so schön heißt: It
blesses him that gives and him that takes
oder, moderner ausgedrückt, es ergibt sich
eine win-win-Situation. Der oder die Stu-
dent/in lernt auf diese Art das Leben in
Deutschland besser und persönlicher ken-
nen als im Wohnheim. Für die Gasteltern
kommt wieder „Leben in die Bude“, aber
nicht zu viel. Wir jedenfalls haben junge
Menschen erlebt, die das Semester und ihr
Praktikum in Deutschland als Chance
ernsthaft nutzen wollten, keine
Partygänger. Außerdem ergibt sich ein gu-
ter Anlass, mal wieder nach Sanssouci,
Oranienburg, Paretz, über den Landwehr-
kanal zu fahren – kennt man alles schon,
aber als Lokalpatriotin freut man sich da-
ran, wie toll es andere finden. Und wenn
man zwischendurch verreist – ein halbes
Jahr ist ja lang – dann werden die Blumen
gegossen, das Haus gehütet, Hund oder
Katze versorgt.
Alle drei Stips haben uns seitdem mehr-
mals besucht und per mails sind wir auf
dem laufenden, wie es ihnen geht. Darko,
heute Gerichtsdolmetscher, baut ein Haus
auf Istrien und hat uns für 2014 schon ein-
geladen. So wird das Leben bunter. Nicht
nur durch die Zeitzeugenbörse.
Zwei Tage Begegnung mit der Zeit
nach 1945
Von Harald Jancke, Zeitzeuge
Durch zwei Veranstaltungen, die sich mit
dem Geschehen nach 1945 in der SBZ/DDR
beschäftigten, tauchte ich wieder ein in die
Geschichte dieser Zeit, die ja mein eigenes
Interessengebiet betrifft. Als Zeitzeuge habe
ich 2010 im „Halbkreis“ und seither mehr-
fach auf Einladung hin über meine Zeit als
„Spezialistenkind“ vorgetragen. Dieser Be-
griff ist abgeleitet von der Bezeichnung
„Spezialisten“ für all jene Wissenschaftler
und Techniker, die als „Intellektuelle Repa-
ration“ nach Ende des zweiten Weltkrieges
von den Alliierten weggeführt worden sind,
vielfach sogar außer Landes. Nach 1945
wurden tausende (nach neuesten Angaben
ca. 3000) Mitarbeiter wissenschaftlich-tech-
nischer Einrichtungen des besiegten Deut-
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schen Reiches in die Sowjetunion deportiert.
Da mit den Spezialisten zusammen auch
deren Familien in die SU gebracht worden
sind (ca. 8000), habe ich von 1946 – 1952 in
Podberesje, einem kleinen russischen Dorf
an der Wolga, gelebt. Diese Zeit ist mir trotz
ihrer Ferne noch in guter Erinnerung und
durch Familienaufzeichnungen, die authen-
tisch diese Jahre beschreiben, kann ich als
Zeitzeuge dieser Geschichte herhalten. In-
zwischen habe ich aber mehrere Biogra-
phien Betroffener gelesen, so dass sich die
Schicksale derer, die seinerzeit in der SU
gearbeitet haben, vor mir ausbreiten. Die
Zahl solcher Darstellungen hat naturgemäß
ihr Ende gefunden. Heute gibt es nur noch
die Erzählungen der Kindergeneration, der
Spezialistenkinder, wie ich eines bin. Auch
da gibt es noch viel Interessantes zu entde-
cken und ich bemühe mich um weitere Auf-
zeichnungen.
Ein ganz anderes Anliegen ist das der Histo-
riker. Der Historiker sammelt Informationen
über das Geschehen nach 1945 im ganzen
verbliebenen deutschen Staatsgebiet nach
Besetzung durch die Alliierten. Dabei geht
das Interesse weit über das Persönliche
hinaus und soll klären, was an Beutegut, an
materiellen Dingen, in die Hände der Sie-
germächte gefallen ist. Was wurde davon
abtransportiert und wie weit diente es den
Alliierten, die bald nach 1945, im „Kalten
Krieg“ ganz gegensätzliche Interessen ver-
folgten, für den Wiederaufbau der eigenen,
kriegszerstörten Wirtschaft, oder kam ein-
fach dem technischen Fortschritt zugute. Im
Potsdamer Abkommen war vereinbart wor-
den, dass jeder der Siegermächte aus dem
ihm zugesprochenen Teilgebiet als Repara-
tion nach eigenem Belieben Werte entneh-
men könne. Und so wurde dann auch ver-
fahren. Die deutschen Darstellungen zu die-
sem Thema sind vielfältig und zumeist kont-
rovers. Hier spielen eigene politische Inte-
ressen eine Rolle, denn es soll ja für die
Nachwelt dokumentiert werden, welcher der
sich bald herausbildenden Teilstaaten
Deutschlands die größere Last zu tragen
hatte. Für das Gebiet der SBZ/DDR ist nun
eine Riesenarbeit abgeschlossen worden,
indem alle zuständigen Archive der Länder,
Städte und Gemeinden im Osten Deutsch-
lands nach Dokumenten zu dieser Proble-
matik durchsucht, und das Ergebnis ein ei-
nem dicken Buch zusammengestellt wurde.
Das Buch wurde am 2. Juli im Zentrum für
Zeitgeschichtliche Forschung in Potsdam
vorgestellt. Klaus Neitmann, Jochen Laufer
und Klaus-Jochen Arnold haben das Buch
„Demontagen in der Sowjetischen Besat-
zungszone und in Berlin 1945 bis 1948“ be-
arbeitet und herausgegeben, und es steht
nun für die zeithistorische Forschung jeder-
mann zur Verfügung. Der Historiker Dr. Rai-
ner Karlsch, wohl einer der profundesten
Experten dieser Thematik, stellte erfreut
fest, dass mit dieser authentische Doku-
mentenquelle eine Basis für sachliche und
umfassende Arbeit gelegt wurde. Er selbst
musste für seine Bücher, die seit 1990 er-
schienen sind, mühsam eigene Quellen
auswerten. Er und die Autoren des Buches
mussten allerdings anmerken, dass eine
vergleichbare Dokumentation sowjetischer
Archive noch aussteht.
Am 3. Juli fand dann eine Veranstaltung im
Deutsch-Russischen Museum in Karlshorst
statt, wo ein Historiker zu der Deportation
deutscher Spezialisten in die Sowjetunion
vortrug. Dr. Enrico Heitzer von Gedenkstätte
und Museum Sachsenhausen konnte zu
den Berichten über den Abtransport techni-
scher Einrichtungen und deutscher Familien
in den Jahren 1945 bis 1947 noch bewe-
gende Details von „geeigneten“ Personen
aus den sowjetischen Speziallagern, wie
eben etwa in Sachsenhausen, hinzufügen.
Diese wurden systematisch herausgesucht
und ebenfalls zur Arbeit in die SU verbracht.
Das Museum Karlshorst war für den Vortrag
ein ganz geeigneter Ort. Und, wie ich erfuhr,
das dicke Buch, von dem ich oben berich-
tete, steht bereits in der Bibliothek des Mu-
seums zur Verfügung.
VIII - IX / 2014 - 10
Dieser Abend in Karlshorst war eigentlich
als Vernissage einer Berliner Photokünstle-
rin angekündigt worden. Ulrike Schmitz hat
dort 24 Bilder unter dem Thema „Museum
Deiner Erinnerung“ ausgestellt. Ulrike
Schmitz, eigentlich eine promovierte Juris-
tin, hat sich zum Thema ihrer photokünstle-
rischen Arbeit die Unterschiedlichkeit der
Eindrücke eigener Erinnerung und offizieller
Publikation gemacht. Dazu hat sie Bilder,
die sie selbst in Podberesje, jenem Dorf bei
Moskau, in dem ich meine Kindheit ver-
bracht habe, aufgenommen und mit Bildern
aus sowjetischen Propagandafilmen vergli-
chen. Leider ist durch die angeregte Diskus-
sion über den Vortrag die Photoschau zu
kurz gekommen. Es war ja auch für mich ein
besonderes Erlebnis, einer jungen Frau zu
begegnen, die sich für unsere Zeit in der SU
interessiert. Ihre erste von mehreren Reisen
nach Podberesje hatte sie in Begleitung
ihres Vaters gemacht, der, wie ich und vom
gleichen Jahrgang, dort in der elterlichen
Familie gelebt hatte. So stelle ich jetzt er-
freut fest, dass die Erinnerungsarbeit in
ganz anderer Weise von den Spezialisten
auf die Generation der „Spezialistenenkel“
weitergegeben wird. Die Spezialistenkinder,
drei davon waren am 3. Juli in Karlshorst
anwesend, sind ja nun auch schon etwas in
die Jahre gekommen.
Es ist schön, wenn wichtige Teile unserer
Geschichte durch die Arbeit akribischer
Historiker und engagierter, betroffener Per-
sonen aus unterschiedlichen Blickwinkeln
dokumentiert und damit nicht vergessen
werden.
In eigener Sache
Gratulationen
Wir gratulieren allen im August und Septembergeborenen Zeitzeugen
August
01.08. Margarete Blankenfeld, 02.08. Wolfgang Endler, 02.08. Wolfgang Jähnichen, 04.08. Irma
Gideon, 07.08. Gerhard Bubel, 07.08. Elke Baars-Margeit, 08.08. Dieter Drewitz, 09.08. Hans
Müncheberg, 11.08. Karen Ehrlich, 14.08. Hans Werk, 19.08. Ludwig Bodemann, 29.08. Renate
Timme, 31.08. Ingeborg Linder
September
01.09. Kurt Kutschbauch, 03.09. Wolf Rothe, 09.09. Anita Kiewning, 16.09. Evelyn Heller-Zobel,
16.09. Hanna Jolly, 17.09. Hubert Bjarsch, 18.09. Joachim Seegert, 19.09. Klaus-Dieter Pohl,
27.09. Gabriel Berger, 27.09. Jutta Petenati
Zeitzeugen gesucht
Gesucht werden deutsche Zeitzeugen, die in russischer Gefangenschaft waren.
VIII - IX / 2014 - 11
Veranstaltungen
40. Berliner Seniorenwoche
Eröffnung am Samstag, dem 30. August 2014 auf dem Breitscheidplatz Programm von 10-17 Uhr
Veranstalter: Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Organisation: Arbeitskreis Berliner Senioren
Die Zeitzeugenbörse ist wieder mit einem Stand dabei. Wir bitten um Unterstützung durch Zeitzeugen und –innen bei interessanten Informationsgesprächen. Bitte melden Sie sich in unserem Büro: Tel. 4404 63 78.
Ackerstraßenfest 2014
Wer am 6. September beim Ackerstraßenfest teilnehmen möchte, ist herzlich eingeladen. Vorgesehene Aktivitäten und Attraktionen sind u.a. kleine Stände mit Tauschbörsen, Kinderflohmarkt, Führungen durch die Ackerstraße, Sportturniere, Straßenmusiker, Jongleure, Clowns etc.
Der Stadtführer Klaus Bädicker (siehe S. 7) dieses Monatsbriefes) wird am Nachmittag eine Führung durch die Acker- und Bergstraße anbieten, die bei uns in der Zeitzeugenbörse Ackerstraße 13 Gartenhaus mit einem Bildervortrag endet.
Weitere Informationen über das Programm sind im Büro erhältlich.
Wer hat Lust, etwas zu unseren Planungstreffen beizutragen, um das Fest mitzugestalten?
Interessierte Personen melden sich am besten im Büro, Ackerstr. 13.
Typowerkstatt Bodoni-Museum: Krausnickstr. 6, 10115 Berlin
030-2825137/28387569, 030-28387568, Mail: [email protected]
VIII - IX / 2014 - 12
Ankündigungen
26.August um 15 Uhr - HALBKREIS -
Sonnenschein und Bretterritzen
Die heute 77jährige Rahel Mann hat als Siebenjährige in einem Keller versteckt den Holocaust
überlebt. Sie wird berichten, wie sie die schwierige Zeit überstand und welche Menschen, die als
„stille Helden“ gelten, ihr geholfen haben.
Lit. Tina Hüttl, Alexander Meschnig, Uns kriegt ihr nicht: Als Kinder versteckt – jüdische
Überlebende erzählen. Piper 2013
16.September um 15 Uhr
Rechtsradikalismus in der späten DDR
Bildung einer militanten nazistischen Bewegung und ihre Fortsetzung in der Bundesrepublik
Deutschland –
Vortrag von Bernd Wagner (Diplom-Kriminalist und Experte für Rechtsextremismus)
Parallel zum Niedergang der DDR entwickelte sich eine gewalttätige neonazistische Opposition.
Beginnend am Anfang der 1980er Jahre durchlief sie mehrere Phasen und bildete [Bernd
Wagner] vernetzt den Ausgangspunkt für die Vereinigung der militanten Nazis nach dem Fall der
Mauer. Das politische System der DDR so auch ‚Staatssicherheit‘ und ‚Volkspolizei‘ reagierten
auf diese Entwicklung diffus. Der postulierte Antifaschismus versagte.
30.September. um15 Uhr
"Augen im Sturm".
Vortrag von Dr. Christoph Kreutzmüller
Historiker im Haus der Wannseekonferenz
Während die deutschen Zeitungen schnell und brutal auf die Linie des NS Regimes gebracht
wurden, konnte die internationale Presse bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs relativ frei über
die Ereignisse in Deutschland berichten. Welche Arbeitsbedingungen die ausländischen
Reporter in Berlin vorfanden, wie sie insbesondere die Judenverfolgung in Berlin wahrnahmen
und welche Auswirkungen dies wiederum auf das Regime hatte, wird in dem Vortrag diskutiert."
Moderation: Eva Geffers
Veranstaltungsort: Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 10787 Berlin, An der
Urania 4 – 10, Ecke Kurfürstenstraße
Verkehrsverbindungen: U1, 2, 3 Wittenberg-/Nollendorfplatz, Bus 100, M29, 187, bis
Schillstraße, Bus 106, M19, M46, bis An der Urania
Impressum
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